Klimaaktivisten und Rettungsgasse

Seit gestern geistert das Bild der bösen Klimaaktivisten durch einige Medien, die einen Feuerwehrwagen aufgehalten haben, der eine Radfahrerin aus unter einem Betonmischer befreien sollte. Lassen wir die Fragen rund um den Unfalls außer acht, basiert diese Kritik doch nur auf einen Punkt: Die Aktivist:innen haben einen Stau verursacht. Diese Kritik ist doch etwas zu kurz gegriffen, denn – so seltsam es klingen mag – das Problem liegt mitten im Stau – nicht an deren Anfang.

Ich bin nicht unbedingt ein Fan dieser Blockaden, denn ich bin unsicher, ob es dem Klimaschutz hilft, wenn man Leute verärgert. Aufmerksamkeit ist wichtig, aber ob es die richtige ist… Ich weiß nicht. Aber das ist etwas für einen anderen Beitrag, denn – um es vielleicht einmal anders auszudrücken – solange man sich mehr Sorgen um Sonnenblumen auf einem Bild macht, als um die realen, ist das Problem schon noch im Raum. Aber wie gesagt: Ein anderes Thema.

Es gibt diese Blockaden in einigen Städten und sie sind mit Sicherheit für viele Leute ärgerlich. Zunächst muss man aber feststellen, dass auch solche nervigen Veranstaltungen bis zu einem gewissen Grad unter die Versammlungsfreiheit fallen:

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied 2011, dass Sitzblockaden grundsätzlich eine friedliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Kundgebungen sein können, die als solche in den Schutzbereich des Grundrechts der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 Absatz 1 Grundgesetz (GG) fallen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2011 – Az.: 1 BvR 388/05). Dieser Schutz endet grundsätzlich, wenn es bei der Versammlung zu kollektiver Unfriedlichkeit kommt, was nach der Rechtsprechung des BVerfG jedoch noch nicht allein dadurch vorliege, dass „es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen“ (ebd.). (

Juraforum

Ohne Anmeldung ist es schnell eine Ordnungswidrigkeit, die Versammlung kann aufgelöst werden und spätestens mit dem Festkleben wird auch schnell eine Nötigung daraus. Soweit die generelle Basis für diese Sitzblockaden.

Also könnte am Beginn des Staus durchaus eine Straftat liegen. Aber für die Auswirkungen ist dies erstmal irrelevant. Straßen werden aus verschiedenen Gründen gesperrt: Auch reguläre Demonstrationen sorgen für – spontane und kurzfristige – Sperrungen, Baustellen sind vielleicht planbarer, Unfälle dagegen nicht. Immer nervig für die Autofahrer:innen und eine Herausforderung für die Rettungskräfte.

In Berichten zu gestern kann man dann folgendes lesen:

Die Kollegen hätten mit einem sogenannten Rüstwagen mit Spezialtechnik, die etwa zum Anheben schwerer Lasten eingesetzt wird, eine „recht relevante Zeit“ im Stau auf der Stadtautobahn A100 gestanden, sagte Sprecher Rolf Erbe am Montag der Deutschen Presse-Agentur. 

T-Online

Dort steht: Man habe „im Stau auf der Stadtautobahn A100 gestanden“. Der Stau mag durch die Klimaaktivist:innen ausgelöst worden sein, aber im Normalfall hätte ein Einsatzfahrzeug kein Problem damit haben müssen auf einer Autobahn im Stau zu stehen. Dafür gibt es die Rettungsgasse. Und wenn der Einsatzwagen da durch gekommen wäre, wage ich zu behaupten, dass dann auch ein Weg durch die Blockade kein Problem gewesen wäre.

Es steht nicht da, dass die Klimaaktivist:innen den Einsatzwagen blockiert hätten. Sie haben nicht den Einsatzwagen aufgehalten. Es waren andere Autos, die es noch immer nicht hinbekommen eine vernünftige Rettungsgasse zu bilden, weil Autoverkehr eben oft eins ist: Purer Egoismus. Weil einige die Rettungsgasse als Extraspur für sich verstehen, stellen andere sie zu oder man bildet einfach unbewusst keine bis man von hinten vom Blaulicht überrascht wird.

Es ist für das Ergebnis fast irrelevant, ob nun Menschen die Straße blockierten oder vielleicht ein größerer Autounfall diesen Stau verursacht hat. Der Rettungswagen hätte nie in einem Stau feststecken dürfen. Die Aussagen, dass sonst an einer Ampel bei einem Rettungswagen in die Kreuzung hinein gefahren werden darf und dies hier unmöglich gewesen wäre greift hier einfach nicht, weil dies nicht das Problem war. Das Problem stand einige hundert Meter weiter hinten dicht an dicht auf der Autobahn.

Die Klimaaktivist:innen haben den Stau verursacht. Das müssen sie sich auf die Fahne schreiben lassen. Aber wenn deren Protestkonzept Möglichkeiten gelassen hat, einen Einsatzwagen, der über die Autobahn kommt, durchzulassen, dann liegt der Fehler in vielen, vielen Autos dahinter, die – wie wahrscheinlich viel zu oft – durch das Weglassen einer vernünftigen Rettungsgasse Leben gefährden. Es wäre vielleicht gut mehr darüber zu reden oder über eine weitere Radfahrerin, die schwer verletzt wurde, anstatt sich wie Geier auf einige Aktivist:innenen zu stürzen, deren Aktionen man als nervig empfindet.

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